Folgen der KV-Pläne der CDU für GKV und PKV

Markus Bauer • 11. September 2025

Hausarztprinzip, Kontaktgebühr, GKV-Basis- + Zusatzschutz

Die CDU verfolgt mit ihren gesundheitspolitischen Plänen das Ziel, das duale System aus gesetzlicher (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV) zu stärken und gleichzeitig die Herausforderungen durch steigende Kosten und den demografischen Wandel zu bewältigen.


Initiativen wie Beitragsdeckelung, Einführung von Primärarztsystem und Basistarifen in der GKV sowie Beitragsverstetigung und Standardtariföffnung in der PKV setzen auf Effizienz und Wettbewerb.


Unabhängig von der Kontaktgebühr beim Arzt, die von Arbeitgeberverbänden vorgeschlagen wurde, warnen Sozialverbände und Fachleute vor großen sozialen Gerechtigkeitsproblemen: Die Einführung günstiger GKV-Basistarife führe zu einer Reduzierung der solidarisch finanzierten Grundversorgung. Ebenso wird gewarnt, dass die freie Arztwahl durch das GKV-Primärarztsystem eingeschränkt würde.


Komplexe Gemengelage: GKV-Klage und GKV-Kommission

Dieser Artikel befasst sich mit den absehbaren Folgen der Regierungspläne für gesetzlich und privat Versicherte sowie für gesetzliche Krankenkassen und private Krankenversicherer. Die am 11.09.2025 beschlossene GKV-Klage mahnt den Bund zur Eile, wird aber nicht zu inhaltlichen Änderungen führen.


Am 12.09.2025 hat die Gesundheitsministerin ihre GKV-Kommission vorgestellt, die bis Ende März 2026 die wesentlichen Kostentreiber und die Herausforderungen auf der Einnahmenseite identifizieren soll. Bis Ende 2026 sollen dann GKV-Strukturreformen vorgeschlagen werden, die das Ausgabenwachstum mittel- bis langfristig reduzieren und die auf der Einnahmenseite identifizierten Probleme angehen.


Auch wenn die Kommission "frei von politischer Einflussnahme" arbeiten und es "keine Denkverbote" geben soll, sind die Handlungsfelder vorgegeben und die Folgen im Großen und Ganzen absehbar.


Folgen für gesetzlich Versicherte (GKV)

  • Beitragssituation und finanzielle Belastung: Die CDU plant, die Sozialversicherungsbeiträge auf maximal 40 Prozent zu deckeln, was kurzfristig die Beitragsbelastung für die Versicherten dämpfen kann. Nicht nur bei zukünftig weiter steigenden Ausgaben könnten Leistungskürzungen oder erhöhte Steuerzuschüsse notwendig werden, um die Finanzstabilität des Systems zu sichern. Denn die GKVs haben beschlossen, wegen der Finanzierungslücke bei Bürgergeld-Empfängern (2022: monatlich 108 Euro erhalten und 311 Euro ausgegeben) gegen den Bund zu klagen.


  • Versorgung und Leistungsumfang: Mit der Einführung eines Primärarztsystems wird die Versorgung besser koordiniert, wodurch Wartezeiten verkürzt werden können. Gleichzeitig schränkt das Primärarztsystem die bisherige freie Arztwahl faktisch ein, was für viele Versicherte eine relevante Einschränkung der Autonomie bedeutet.


  • Günstiger Basistarif mit Zusatztarifen: Der CDU-Vorschlag sieht vor, einen günstigen Basistarif anzubieten, der eine minimal notwendige Grundversorgung sichert. Zusätzliche Leistungen wie bessere ambulante, stationäre oder Zahnversorgung können dann separat versichert werden. Dies bietet einerseits Wahlfreiheit und Beitragsersparnis für Versicherte ohne großen Bedarf, birgt aber die Gefahr von sozialer Spaltung und Drei-Klassen-Medizin, wenn für Geringverdiener wichtige Leistungen nicht bezahlbar sind.


Folgen für privat Versicherte (PKV)

  • Beitragsentwicklung: Die CDU plant eine Reform der Beitragsanpassung – kleinere, aber häufigere Beitragssprünge sollen eine bessere Planbarkeit und finanzielle Sicherheit schaffen. Das verhindert abrupte Beitragserhöhungen, senkt aber nicht die Kosten. Die Beiträge werden gleichmäßiger steigen, der durchschnittliche prozentuale Anstieg wird aber nicht kleiner werden.


  • Tarife und soziale Sicherheit: Die Öffnung des Standardtarifs für alle PKV-Mitglieder könnte, je nach Ausgestaltung, auch jüngeren Versicherten eine Option zur Beitragsbegrenzung bieten.


  • Systemstabilität: Die explizite Beibehaltung des dualen Systems erhöht die Planungssicherheit für Privatversicherte. Die Verträge bleiben auf absehbare Zeit erhalten und der Systemwechsel zur Bürgerversicherung ist politisch abgewendet.


  • Konkurrenz und Zusatzleistungen: Wahlfreiheit und neue (gesetzliche) Zusatztarife in der GKV könnten den Wettbewerb um junge, zahlungskräftige Kunden erheblich verstärken und die PKV zu weiteren Produktinnovationen zwingen.


Folgen für die gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Träger)

  • Finanzielle Herausforderungen: Mit einer Beitragsdeckelung bei gleichzeitig steigenden Kosten stehen die gesetzlichen Krankenkassen vor einer großen finanziellen Belastung. Sie müssen neue Strukturen entwickeln, um Kosten zu kontrollieren, und sind auf zusätzliche Steuerzuschüsse angewiesen - andernfalls drohen Leistungskürzungen.


  • Organisation und Wettbewerb: Die Kassen müssen das Management von diversen Tarifen – darunter Basistarife und zahlreiche Zusatzpakete – leistungsfähig gestalten und im Wettbewerb bestehen. Dies bedeutet erhöhte Anforderungen an die IT, Beratung und Verwaltung, verbunden mit Investitionen in Digitalisierung und innovative Leistungsmanagement-Systeme.


  • Risiko der Entsolidarisierung: Die zunehmende Aufsplitterung in Basis- und Zusatzschutz reduziert die solidarische Wirkung des Systems. Versicherte mit geringeren Einkommen könnten von der Grundversorgung abgeschnitten sein, während Besserverdienende auf umfangreiche Zusatzleistungen zugreifen, was das System sozial fragiler macht.


Folgen für private Krankenversicherer (PKV-Anbieter)

  • Absicherung des dualen Systems: Das klare Bekenntnis der CDU zum dualen System sichert die Existenz der PKV gegen eine staatliche Bürgerversicherung ab und bietet Planungssicherheit.


  • Anpassung an den neuen Wettbewerb: Die modularen Zusatzangebote der GKV bedrohen die bisher starken Marktsegmente der PKV bei Zusatzversicherungen (Zähne, Krankenhaus, Brillen). Dies fordert eine Neuausrichtung der Produktstrategien, stärkeren Fokus auf die Servicequalität und Innovationen.


  • Produktentwicklung und Beitragsgestaltung: Reformen wie die Beitragsverstetigung und die Öffnung des Standardtarifs erfordern von den Versicherern eine Anpassung der Kalkulations- und Produktmethoden, um sowohl Kundenbindung zu stärken als auch attraktiv für Neukunden zu bleiben.


Fazit: Mehr Auswahl, Eigenverantwortung und Stabilität?

Die gesundheitspolitischen Pläne der CDU zielen darauf ab, das duale Krankenversicherungssystem sozial verträglich und finanziell tragfähig zu erhalten.


Während gesetzlich Versicherte mehr Wahlmöglichkeiten und Beitragsstabilität bekommen sollen, drohen Leistungskürzungen und soziale Ungleichheiten durch die Modularisierung der GKV-Tarife.


Die gesetzlichen Krankenkassen stehen vor organisatorischen sowie finanziellen Herausforderungen durch neue Tarifmodelle und verschärften Wettbewerb und haben am 11.09.2025 beschlossen, wegen der Finanzierungslücke bei Bürgergeld-Empfängern, den Bund auf ca. 10 Milliarden Euro zu verklagen.


Die PKV-Anbieter sehen sich zwar steigenden Anpassungsdruck bei Zusatzversicherungen ausgesetzt, dank der politischen Absicherung des dualen Systems aber nicht ihrer Existenzgrundlage beraubt. Damit ist auch sichergestellt, dass die mächtigen Interessenvertretungen der Ärzte sich zurückhalten.


Die CDU-Pläne spiegeln einen komplexen Balanceakt zwischen Kostenkontrolle, Eigenverantwortung und sozialer Gerechtigkeit wider. Ob die Pläne so umgesetzt werden, hängt von der gesellschaftlichen Akzeptanz und der Kompromissfähigkeit aller Beteiligten angesichts steigender Milliardendefizite ab.


Mit ihrer Klage gegen den Bund sind die GKVs in die Offensive gegangen. Die GKV-Kommission soll deswegen "schon" Ende März 2026 erste Ergebnisse liefern. Dass abseits der bisherigen Vorschläge komplett neue Ideen entwickelt werden, ist nicht zu erwarten. Die GKV-Basistarife werden kommen.

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